Als ich klein war besuchte meine Familie gerne alte Schlösser und Burgen. Für mich waren diese Ausflüge immer etwas ganz besonderes, denn sobald ich den ersten Schritt in einen Ort voller Geschichte setzte, war diese für mich körperlich spürbar. Wie eine unsichtbare Welt, die irgendwie immer noch da war und nie wirklich gegangen ist. Ich stellte mir vor, wer hier gelebt hat, was sie gemacht haben, was sie für Gewänder getragen haben und was ihnen wohl durch den Kopf ging. Ich beobachtete meine Füße und stellte mir vor, dass dieser Boden schon von Dienstmädchen, Königinnen und mutigen Rittern beschritten worden war.
Ich dachte Bali ist auch so ein Ort.
Es steckt voller Tradition, Glauben und Spiritualität. Das Leben hier ist geprägt vom Hinduismus und es gibt unzählige Tempel und heilige Stätten. Der Glaube an Götter und Geister ist hier allgegenwärtig und man wird damit auch ständig konfrontiert. Wir haben Orte auf Bali besucht, die kulturell ganz interessant waren, aber dieses eine Gefühl wie es damals in meiner Kindheit war, kam zunächst nirgendwo auf. Aber dann fanden wir im Reiseführer, in einer kleiner Randnotiz, einen Ort der sofort mein Interesse weckte: Petulu
Und hier erzählen wir dir von diesem ganz besonderen Ort, an dem wir zum ersten Mal ein bisschen echte Magie in der Luft gespürt haben.
Was macht Petulu so besonders?
Der Name wird dir wahrscheinlich nichts sagen, denn er gehört nicht unbedingt zu den typischen Ausflugszielen. Es ist auf den ersten Blick auch nicht wirklich spektakulär: Ein kleines Dorf in dem es nicht viel zu sehen gibt, denn es besteht nur aus einer Hauptstraße mit vielen kleinen Häusern, fußballspielenden Kindern, Frauen die ihrer Handwerkskunst nachgehen und ein paar wenigen Warungs (Garküchen). Viele sagen, so sei es früher auch in Ubud gewesen. Ruhig, grün und entspannt.
Sobald es dämmert ändert sich das jedoch schlagartig.
Jeden Abend zwischen 17 und 18 Uhr kommen bis zu 20.000 Reiher (oder Kokokan, wie die Balinesen sie nennen) nach Petulu. Seit über 50 Jahren hat sich daran nichts geändert.
Das kleine Dorf ist der Schlafplatz von 20.000 Reihern! Eine riesige Kolonie die aus allen Richtungen angeschwirrt kommt um sich um die besten Schlafplätze zu streiten.
Wir haben gelesen, dass es keinen richtigen Grund dafür gibt. Die Reiher scheinen sich einfach für den Ort zu begeistern.
Aber dann hörten wir eine andere Geschichte:
Warum die Reiher nach Petulu kamen
1965. Eines der dramatischten Jahre der indonesischen Geschichte. In diesem Jahr wurden politische Machtkämpfe ausgefochten, denen am Ende über 100.000 Balinesen zum Opfer fielen. Eine unglaubliche Tragödie.
Zum Gedenken an die Ermordeten und zum Schutz der Überlebenden wurde in Petulu eine große Zeremonie veranstaltet. Kurz darauf kamen die Reiher. Obwohl es in der Region zuvor nie Reiher gab, kommen sie seither jeden Tag hierher. Bis heute.
Die Balinesen glauben, dass es sich um die Verstorbenen handelt, deren Seelen sich in den Vögeln niedergelassen haben. Die Tatsache, dass die Reiher die Farben des Buddhismus tragen (weiß und gelb) trägt auch zu diesem Glauben bei.
Wie war es für uns hier zu sein?
Das Dorf Petulu
Über dem Dorf liegt eine eigenartige Atmosphäre. Mich überkam das Gefühl aus meiner Kindheit wieder, was ich so lang nicht mehr gespürt hatte.
Das Dorf empfing uns in einer fast unheimlichen Stille. Wir kamen gerade aus Ubud, wo die Hupen von Scootern und Autos den Sound der Stadt ausmachten. Und hier, war es unfassbar ruhig. Nur ein paar Hähne und das knattern von unserem geliehenen, schwarzen Roller waren zu hören. Wir brausten die Straße entlang und hielten Ausschau nach einem guten Beobachtungs-Platz.
Ben war ein bisschen nervös, unser Tank sollte jeden Moment leer sein. Wir bogen einmal falsch ab, aber ein paar freundliche Dorfbewohner zeigten uns wo wir Benzin und einen tollen Ausblick fanden.
Und dann waren wir da, im „The best View“(der Laden hieß wirklich so 😀 ). Eine erhöhte Terrasse, die direkt zwischen einem sehr fotogenem Reisfeld und dem Dorf lag. Ein paar Getränke, Snacks und Mitbringsel konnte man hier erwerben. Der „Gastgeber“ erklärte uns, dass die Kokokan heute wahrscheinlich aus Norden kommen. So wäre das in letzter Zeit immer gewesen. Er zeigt zur Sicherheit nochmal mit dem Finger in die richtige Richtung.
Ok, gleich sollte es losgehen. Ich war schon ein bisschen aufgeregt. Wir holten uns ein kühles Bier und spähten in alle Richtungen (bloß nix verpassen).
Und da waren sie!
Die ersten Reiher kamen in kleinen Gruppen angeflogen und suchten sich laut schnatternd einen Platz direkt im Baum vor uns. Wir und eine Handvoll anderer Touristen staunten über die kleinen, weißen, schreienden Reiher.
Plötzlich kamen die Reiher aus allen Richtungen und verteilten sich über dem ganzen Dorf. Überall sah man sie umherflattern, von Ast zu Ast hüpfen und den einen oder anderen Böppel verlieren (zum Glück hatten wir ein Dach über dem Kopf).
Und dann. Dann war die Sonne verschwunden und es wurde minütlich dunkler. Damit war der ganze Zauber auf einmal vorbei. Die Reiher verstummten nach und nach.
Wir warteten noch ein paar Augenblicke. Längst waren wir ganz allein, die anderen Touristen hatten sich schon verabschiedet, aber wir konnten uns noch nicht losreißen und schauten noch eine Weile den Geistern von Petulu zu.
Anreise
Von Ubud sind es nur knapp 3 km bis nach Petulu. Du kannst entweder mit einem Roller anreisen, oder alternativ mit dem Fahrrad (uns war das bei dem Verkehr zu gefährlich).
Petulu ist nicht so richtig ausgeschildert, daher würden wir dir raten dich mit einer Karte auf den Weg zu machen. Oder du fragst dich durch 🙂
Der beste Ausblick
Für Touristen wurde extra eine Aussichtsplattform geschaffen. Wenn du in das Dorf hineinfährst, kommt es nach circa einer Minute auf der linken Seite. Es trägt den passenden Namen „The best View“. Du hast hier einen 360-Grad Rundumblick über das gesamte Dorf und nach Aussagen der Gastgeber landen die meisten Reiher direkt vor deiner Nase.
Kosten
Am Dorfeingang wird ein kleiner Obulus für den Besuch im Dorf fällig, aber es ist nicht der Rede wert.
Eintritt: 20.000 IDR (ca. 1,20 €)
Unser Vlog zu Petulu
Unser Bali-Reiseführer
Unser Lonely Planet* war ein hervorragender Begleiter auf unserer Balireise. Ohne ihn, hätten wir vom Ort Petulu wohl nichts gehört und wären hier nie hingefahren. Die üblichen Tipps zu Regionen, Städten und Empfehlungen sind wie immer auch super.
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2 Kommentare
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Liebe Greta,
Ganz lieben Dank für deine netten Worte, wir freuen uns seeehr darüber 🙂
Ich fürchte auch, dass sich Bali sehr verändert hat. Jedes Jahr strömen mehr und mehr Touristen dorthin, dass kann eine Stadt/Insel schon verändern. Zumindest im Süden und in Ubud ist es wirklich sehr, sehr touristisch. Die restlichen Regionen haben wir aber als sehr ursprünglich empfunden, wie auch Petulu. Ein ganz wunderbarer Ort.Danke das du fleißig mit uns reist,
Liebe GrüßeBen & Madlen
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Ein toller Blog, ein toller Vlog und ein supertoller Reisebericht. Ich selber war 1992 auf Bali und denke nach dem Lesen der Berichte: es muss heute eine andere Insel sein!
Glück auf aus dem Pott
Eure Greta
Ich freue mich schon auf die nächsten Berichte.